Käfig sucht Vogel. Zwischen Selbsttäuschung und Stillstand. Warum Menschen und Organisationen zu lange an toxischen Strukturen festhalten
Viele Menschen wenden unglaublich viel Energie für ein „Aushalten“ auf, anstatt „Neuanfang“ und „Aufbruch“ zu wagen. Dabei ist die Arbeitswelt ist geprägt von stetiger Veränderung, Anpassung und Weiterentwicklung.
Doch inmitten dieser Dynamik zeigt sich ein paradoxes Verhalten: Menschen halten oft mit erheblichem Aufwand an Arbeitsverhältnissen fest, die sie emotional und mental belasten.
Gleichzeitig neigen Unternehmen dazu, personelle Dysfunktionen auszusitzen, anstatt proaktiv Lösungen zu suchen. Diese Tendenzen, die in der Verhaltenspsychologie als Ausdruck von Verlustaversion und Status-quo-Bias beschrieben werden, führen häufig zu einem vermeidbaren Stillstand.
Ein Erklärungsversuch aus zwei Perspektiven
Die Individuelle Perspektive: Warum Menschen an belastenden Jobs festhalten
- Verlustaversion und Angst vor Veränderung. Menschen empfinden Verluste stärker als gleichwertige Gewinne. Ein Jobwechsel wird oft als Risiko wahrgenommen, das Unsicherheit und potenzielle Einbußen mit sich bringt – selbst wenn der aktuelle Zustand unerträglich ist. Diese Verlustaversion führt dazu, dass viele Beschäftigte den Status quo aufrechterhalten, anstatt aktiv nach Alternativen zu suchen.
- Kognitive Dissonanz und Schönreden. Die Theorie der kognitiven Dissonanz besagt, dass Menschen unangenehme Widersprüche zwischen ihren Überzeugungen und Handlungen vermeiden möchten. Ein ungeliebter Job wird daher oft durch Rationalisierungen schöngeredet: „Es könnte schlimmer sein“ oder „Andere haben es noch schwerer.“ Diese Mechanismen dienen der emotionalen Entlastung, verhindern aber notwendige Veränderungen.
- Sunk Cost Fallacy. Das Prinzip der versunkenen Kosten beschreibt die irrationale Neigung, in eine Situation weiter zu investieren, weil bereits Zeit, Energie oder Geld investiert wurden. Menschen bleiben in belastenden Arbeitsverhältnissen, weil sie die bisherigen Bemühungen nicht als vergebens ansehen möchten, selbst wenn ein Ausstieg langfristig sinnvoller wäre.
- Soziale und kulturelle Erwartungen. Gesellschaftliche Normen und der Druck, als erfolgreich zu gelten, können Menschen dazu veranlassen, eine Fassade der Zufriedenheit aufrechtzuerhalten. Die Angst vor sozialer Kritik verstärkt die Bereitschaft, belastende Jobs zu tolerieren, anstatt Konsequenzen zu ziehen.
Die organisationale Perspektive: Dysfunktionen aussitzen statt handeln
- Mangel an Klarheit und Mut zur Entscheidung. In vielen Unternehmen fehlen klare Mechanismen, um personelle Dysfunktionen zu erkennen und anzusprechen. Führungskräfte zögern, schwierige Gespräche zu führen, aus Sorge, die Beziehungen im Team zu belasten oder als „hart“ wahrgenommen zu werden.
- Trägheit durch organisationalen Status-quo-Bias. Unternehmen bevorzugen oft bestehende Strukturen, selbst wenn diese Dysfunktionalitäten aufweisen. Veränderung wird als zeitaufwändig, riskant und kostspielig wahrgenommen, was dazu führt, dass Probleme ignoriert oder vertagt werden.
- Kurzfristige Prioritäten vor langfristiger Strategie. Anstatt sich den strukturellen Problemen zu widmen, konzentrieren sich Organisationen häufig auf kurzfristige Ziele wie Umsatzsteigerung oder Projektabschlüsse. Dysfunktionen werden toleriert, solange die operativen Ergebnisse nicht unmittelbar gefährdet sind.
- Unzureichende Feedback-Kultur. Ein Mangel an offener Kommunikation und Feedback begünstigt die Langlebigkeit von Dysfunktionen. Wenn kritische Stimmen unterdrückt oder ignoriert werden, fehlt es an Impulsen, die für eine Veränderung notwendig wären.
Die Konsequenzen des Festhaltens: Stillstand und Entfremdung
Sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene führt das Festhalten an dysfunktionalen Strukturen zu negativen Folgen. Für Mitarbeiter, die bereits innerlich gekündigt haben, sind chronischer Stress, emotionale Erschöpfung und eine zunehmende Entfremdung vom Arbeitsumfeld die Konsequenz. Die persönliche Entwicklung stagniert. Lebensqualität nimmt ab.
Aus Unternehmenssicht beeinträchtigen personelle Dysfunktionen die Produktivität, mindern die Teamdynamik und führen zu höheren Fluktuationskosten. Gleichzeitig wird das Innovationspotenzial gehemmt, da dysfunktionale Strukturen Raum für transformative Ideen blockieren.
Fazit: Proaktive Schritte als Schlüssel zur Transformation
Veränderung erfordert Mut, Klarheit und Entschlossenheit. Auf individueller Ebene sollten Beschäftigte regelmäßige Reflexionen über ihre berufliche Zufriedenheit anstellen und sich fragen, ob der Status quo langfristig tragbar ist. Organisationen hingegen sollten verstärkt auf eine Feedback-orientierte Kultur setzen, in der Dysfunktionen frühzeitig erkannt und adressiert werden können.
Der Übergang von Stillstand zu proaktivem Handeln ist herausfordernd, aber unerlässlich. Sowohl für Einzelpersonen als auch für Unternehmen eröffnet die Überwindung des Festhaltens an dysfunktionalen Strukturen die Möglichkeit für nachhaltiges Wachstum und Entwicklung. Nur durch das gezielte Auflösen dieser Muster können Menschen und Organisationen ihr volles Potenzial entfalten.
Sideline Info: Interim Manager als Katalysatoren
Der Einsatz erfahrener Interim Manager kann eine Option sein, um personelle Missstände offen zu legen und beherzt anzugehen. Interim Manager haben einen unverstellten Blick aus Organisationen, verfolgen keine eigene Agenda, sind unabhängig und verfügen über vergleichbare Führungs- und Change Erfahrungen aus vielen anderen Unternehmen.
Größere und sensible Projekte werden in der Regel über spezialisierte Interim Management Provider angefragt, die über weitreichende Methodenkenntnisse in der Entwicklung, Besetzung und Umsetzung komplexer Projekte verfügen.
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